Diamond-Drehgestelle (fast) aus dem 3D-Drucker

  • Hallo liebe Foristi,

    nachdem es hier im 3D-Druckbereich etwas still geworden ist, will ich auch mal was beisteuern. Ich hatte schon vor längerer Zeit für mein amerikanisches Projekt einen Satz Drehgestelle vom Waldbahner übernommen. Gerd hatte die Achslager aus Nylon drucken lassen und damit auch Versuche unternommen. Gedacht sind die Drehgstelle für leichte "Schau"-Wagen, also nicht für die Personenbeförderung.

    Für meinen Tenwheeler fehlt mir noch der Tender. Der hat kein konkretes Vorbild, daher habe ich mich in zeitgenössichen Schriften auf die Suche nach passenden Drehgestellen gemacht. Durchaus gebräuchlich waren in der von mir angenommenen Periode (1870 - 1890) Diamond-Drehgestelle, wobei es natürlich noch eine ganze Reihe von anderen Konstruktionen gab. Angesichts meiner Werkstatt habe ich mich dann eben für Diamond-Drehgestelle entschieden.

    Ursprünglich wollte ich die Drehgestelle ähnlich aufbauen, wie es Gerd vorgemacht hat, also Seiten-Querträger und Bodenträger aus Holz, abweichend davon aber der obere Querträger aus Stahl. Beim EDHT in Friedrichshafen war neben meinem Stand ein Kollege aus Norddeutschland, der Rollböcke für 7 1/4-Zoll-Wagen dabei hatte:

    Rollbock1

    Nun ist ein 7 1/4"-G10 auch nicht gerade ein Leichtgewicht, trotzdem liefen die Rollböcke einwandfrei hinterher (mit der EIGER nur ein Wagen, das hatte aber mit den schlüfrigen Schienen am Sonntag zu tun). Der Clou dabei: Das komplette Teil ist (bis auf die Welle und ein paar Schrauben) aus PLA (!!!) gedruckt, auch die Räder:

    Rollbock2

    Aufgrund dieser Erfahrung habe ich dann mein Drehgestell-Konzept nochmal überarbeitet und mich dazu entschieden, wesentliche Teile zu drucken.

    Kurz zur Ausstattung: Die Modelle konstruiere ich in Fusion360, zum Drucken habe ich einen Prusa i3 MK2S.

    Los geht's mit den Achslagern. Gerd hatte Nylon verwendet, dass im Druckversuche doch zur Verformung neigte. Als Material habe ich colorfabb XT-CF20 verwendet. Es besteht aus einem Co-Polymer mit 20% Carbonfaser-Beimischung und ist dadurch besonders steif.

    Achslager_von_vorne

    Achslager_von_schräg

    Weil die Achslager sowieso im Rahmen eingespannt sind, halte ich das Material für gut geeignet.

    Drehgestell_Achslager

    Eigentlich wollte ich auch die Teile für den Mittelträger aus diesem Material drucken, ich hatte aber größere Probleme beim Druck. Bei größeren Flächen neigt das Material dazu, eine "gewellte" Oberfläche zu bilden, die dann bei der nächsten Schicht teilweise mitgenommen wird und dadurch die Haftung vermindert. Außerdem sollte man den Hinweis, dass das Material abrasiv ist, durchaus ernst nehmen: Meine 0,4mm-Messingdüse hatte nach acht Achslagern auf einmal einen Düsendurchmesser von 1mm, ein Glück, dass ich vorsorglich schon eine Stahldüse da hatte...

    Einmal editiert, zuletzt von Livesteamer (27. Dezember 2019 um 18:15)

  • Hallo Livesteamer,

    Deine neuen Bilder in der Galerie sind interessant und sehr informativ. Ich hätte dazu zwei Fragen:

    - Offensichtlich verwendest Du oben als Kippstütze statt Gleitflächen zwei Rollen. Was sind das für Rollen?

    - Interessant ist auch die schön einfache Ausführung der Bremsen. Was für einen Bremszylinder verwendest Du?

    Joachim

  • Die Längsträger bestehen aus Flachstahl 12x3mm bzw. 12x2mm. Um die fertig gebogenen Träger zu verbohren, habe ich mir Bohrlehren gedruckt:

    Bohrlehre0

    Bohrlehre1

    Dabei habe ich natürlich Messinghülsen als Führung für den Bohrer eingepresst.

    Aufgrund der Erfahrungen mit dem faserverstärkten Material habe ich dann für die restlichen Teile für ABS, genauer gesagt für niceABS von 3DJake entschieden. Das Material haftet (fast zu) gut auf meinem Drucktisch, verzieht sich nicht, ist für ABS relativ geruchsarm und kann mit 70° Drucktisch- und 260° Düsen-Temperatur problemlos verarbeitet werden. Die Druckzeiten sind durchaus beachtlich (bis über 6 Stunden für einen Querträger), weil ich die Teile mit 90% bzw. 100% Füllung gedruckt habe. Für ein Drehgestell kommt dann doch einiges zusammen:

    Teilesatz

    Jetzt muss das alles nur noch montiert werden:

    Teilesatz_Drehgestell

    Das Lager in der Mitte ist eine eingesetzte Kegelpfanne DIN 6319, das Gegenstück kommt dann auf die Wagenseite. Die seitlichen Abstützungen gibt's als Möbelrollen bei OBI...

    Zur Versteifung habe ich im oberen Querträger zwei durchlaufende Bohrungen vorgesehen, in die ich jeweils eine 3mm- Federstahlstange eingepresst habe.

    Drehgestell_Mittelträger

    Die beiden Seitenwangen und der untere Längsträger sind verklebt (ABS läst sich hervorragend mit Aceton kleben) und verschaubt, dadurch wird ein relativ steifer Kasten gebildeto

    Drehgestell_halb_montiert

  • Der Tender soll auch eine Bremse bekommen, deshalb habe ich die oberen Aufhängepunkte an den Seitenwangen vorgesehen. Bauartbedingt können die Radsätze nur einseitig abgebrenst werden, dadurch ist das Bremsgestänge relativ einfach:

    Bremsteile

    Drehgstell_von_unten

    Die Bremsklötze habe ich, weil ich nichts anderes zur Verfügung hatte, aus einer 9mm-Multiplex-Platte herausgedreht und geschnitten:

    Bremskloetze1

    Bremsklötze2

    Ich denke mal, dass ich die Teile nochmal anfertigen werde, dann aber aus Pertinax.

    Einen Bremszylinder habe ich noch nicht. Ich schwanke derzeit noch zwischen einer rein mechanische Lösung (Bremskurbel) und einem elektrischen Antrieb, das entscheidet sich in den nächsten Wochen.

    Drehgestell_schraeg_von_oben

    Eine "Sitzprobe" haben die Drehgestelle überstanden, mal sehen, wie sie sich im Betrieb bewähren. Dazu muss ich aber "nur noch" den Tender-Aufbau bauen.....

  • Hallo Andreas,

    das schaut schon mal vielversprechend aus. Am besten, wir machen mal eine Sitzprobe mit mir. Wenn das Drehgestell das aushält, ist es überall einsetzbar....und die Lok wird damit ne Queen (obwohl, das passt ja nicht zu den USA).

    Und danke für den anschaulichen Bericht, da werde selbst ich aus der "Ich-feile-noch-alles" Fraktion schwach.

    Grüsse von Toni

  • Hallo Andreas,

    wirklich interessant was du da auf die Beine stellst.

    Die Haltbarkeit ist sicherlich das worauf wir alle gespannt sind.

    Ich denke, im normalen Betrieb werden die gedruckten Teile funktionieren, bedenken habe ich, wenn mal ein Drehgestell entgleist.

    Aber dann ist auch schnell ein neues Teil gedruckt.


    Die Rollböcke dürften diese hier im Video sein (ab Minute 20): https://www.youtube.com/watch?v=Ff_Neq3l1Y4

    Gruß aus Leipzig Thomas

  • Joachim hatte nach der Bremse gefragt. Ich habe mich für eine einfache Spindel entschieden, die eine Bremszange spreizt, an deren Enden die Bremshebel der Drehgestelle mittels Gabelkopf-Stangen angebunden sind:

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    Die Bremskurbel wird über ein Winkelgetriebe (Gehäuse natürlich ebenfalls aus PETG gedruckt, Kästchen rechts unten) und eine Kardanwelle (aus dem LKW-Modellbau) mit der Spindel verbunden. Die Spindel und der mittlere Verbinder sind schwimmend gelagert. Die Spindel ist eine M6-Gewindestange, die Spindelmutter eine Messingmutter mit übergroßer Schlüsselweite (hatte ich noch im Regal 'rumliegen), so dass ich da die Befestigungsbolzen mit 2x M3 festschrauben konnte. Für das Gegenlager habe ich so eine Mutter einfach mit 6mm aufgebohrt und auf der Spindel einen 6mm-Stellring befestigt.

    Eine erste, erfolgreiche Probefahrt mit "Ballast" habe ich auch schon hinter mir: Tenwheeler Tender Probefahrt

    Über den Tender und die Lok werde ich in den nächsten Tagen einen neuen Post einstellen, bis dahin

    lg Andreas